Der Leonberger entstand in den 1830er/1840er Jahren aus gezielten Verpaarungen der großen langhaarigen Hunderassen Neufundländer, Bernhardiner und Pyrenäen-Berghund. Das Zuchtziel sollte ein großer, löwenähnlicher Hund sein. Da die Ausgangsrassen sehr unterschiedliche Fellfarben hatten (und die entsprechenden genetischen Anlagen natürlich auch an ihre Nachkommen weitergaben), war in den Anfängen der Reinzucht eine sehr strikte Zuchtauslese notwendig, um die gewünschte löwenähnliche Fellfarbe zu erhalten.
Der heutige FCI-Standard Nr. 145 vom 20.09.2002 für den Leonberger beschreibt die erwünschten Fellfarben folgendermaßen:
Löwengelb, rot, rotbraun, auch noch sandfarben (fahlgelb, cremefarbig) und alle Kombinationen zwischen ihnen, jeweils mit schwarzer Maske; schwarze Haarspitzen sind zulässig, Schwarz darf jedoch nicht die Grundfarbe des Hundes bestimmen. Aufhellungen der Grundfarbe an der Unterseite der Rute, an der Halskrause, der Befederung der Vorder- und den Hosen der Hinterläufe dürfen nicht so ausgeprägt sein, daß sie die Harmonie mit der Hauptfarbe stören. Ein kleiner weißer Brustfleck oder schmaler Bruststrich und weiße Haare an den Zehen werden toleriert.
Als disqualifizierende Fehler werden bezüglich der Farbe ein brauner Nasenschwamm, sehr starker Pigmentverlust an den Lefzen, Augen ohne Braunanteil, braune Fußballen, Fehlfarben (Braun mit brauner Nase und braunen Ballen, Black & Tan, Schwarz, Silber, Wildfarbe), vollständiges Fehlen der Maske sowie zu viel Weiß (von den Zehen bis in den Mittelfuß reichend, über handgroßer Brustfleck, Weiß an anderen Stellen) beschrieben.
Die genetische Grundlage für die erwünschte „Löwenfarbe“ ist das so genannte dominante Gelb in Kombination mit dem Schwarzmaskenfaktor.
Lokalisiert sind die für das dominante Gelb zugrundeliegenden genetischen Varianten am so genannten A-Lokus (ASIP-Gen). Die zugrundeliegende genetische Variante für die schwarze Maske befindet sich an einem anderen Genort (EM-Lokus).
Der A-Lokus (ASIP) spielt eine zentrale Rolle bei der Verteilung der beiden Pigmentarten Eumelanin und Phäomelanin innerhalb der Einzelhaare und über den gesamten Hundekörper. Eumelanin ist die Bezeichnung für schwarzes Pigment, Phäomelanin ist die Bezeichnung für gelbliches Pigment. Je nachdem, welche genetische Variante jeweils im Gen ASIP vorliegt, kann es zu ganz unterschiedlichen Verteilungsmustern der beiden Pigmentarten kommen (siehe Tabelle 1).
Die ersten Erkenntnisse zu den genetischen Varianten im Gen ASIP wurden bereits im Jahr 2005 gewonnen, auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurden verschiedene Gentest entwickelt, um die Varianten für dominantes Gelb, Black & Tan sowie rezessives Schwarz und im Ausschlussverfahren auch für die Wildfarbe zu identifizieren. Es blieben aber mit dieser klassischen Testmethode Fragen offen. So war es etwa nicht möglich, per Test zu unterscheiden, ob ein dominant gelber Hund dunkle Haarspitzen am Rumpf aufwies oder nicht. Ebenso wenig war es möglich, zwischen Black&Tan und Saddle&Tan Hunden zu unterscheiden. Eine Studie aus dem Jahr 2020[1] entschlüsselte das komplexe Zusammenspiel der zugrundeliegenden genetischen Varianten, um die Ausdehnung der dunklen Haarspitzen und die Ausdehnung der dunklen Mantelfarbe erklären zu können. Auf Basis dieser Erkenntnisse war es möglich, Gentests zur Unterscheidung dieser Merkmale zu etablieren.
Wie auch Tabelle 1 zu entnehmen ist, korrespondieren folgende Genotypen mit jeweils entsprechenden Phänotypen:
Genotyp | Phänotyp |
DY/DY, DY/SY, DY/AG, DY/BS, DY/BB | Dominant Yellow (dominantes Gelb) |
SY/SY, SY/AG, SY/BS, SY/BB | Shaded Yellow (Gelb mit schwarzen Haarspitzen) |
AG/AG, AG/BS, AG/BB | Agouti (Wildfarbe) |
BS/BS | Black Saddle (Saddle Tan) |
BS/BB | Black Saddle (Creeping Tan) |
BB/BB | Black Back (Black and Tan) |
Der Genotyp a/a (falls das Allel a überhaupt beim Leonberger vorkommt) steht für rezessives Schwarz und prägt sich durch eine einfarbig schwarze Grundfarbe aus.
Beim Leonberger nachgewiesen werden konnten bereits die Allele DY, SY und BB. Die Tatsache, dass im Rassestandard die Wildfarbe als unerwünschte Fellfarbe aufgeführt ist, spricht dafür, dass auch diese hin und wieder auftreten kann, was auf das Vorhandensein des Allels AG im Genpool des Leonbergers hinweist.
Der Genotyp BB/BB führt zu einer Black and Tan Grundfarbe (diese ist vergleichbar mit der Farbe eines schwarzmarken-farbigen Hovawarts) und gilt beim Leonberger laut Rassestandard als Disqualifikation.
Der Schwarzmaskenfaktor EM verhält sich dominant gegenüber dem „Normaltyp“. Das bedeutet, dass ein Hund mit schwarzer Maske auch die genetische Information für „Nicht-Maske“ verdeckt tragen und weitervererben kann. Deshalb ist es möglich, dass Leonberger-Welpen ohne schwarze Maske geboren werden, wenn zwei Träger für Nicht-Maske verpaart werden. Für den Schwarzmaskenfaktor existiert ein Gentest.
Die Farbintensität des Phäomelanins (also des gelblichen Pigmentes) kann eine recht große Bandbreite in farbintensive Bereiche (bis hin zu einem rötlichen Farbton) sowie in aufgehellte Bereiche bis zu einer hellen Cremefarbe abdecken. Laut Standard sind alle möglichen Farbschattierungen von Gelb (also rotbraun über löwengelb bis hin zu fahlgelb) zulässig. Mit einem Test auf die genetische Variante i am I-Lokus kann die Aufhellung von gelb zu creme identifiziert werden, die farbintensiveren rötlichen Varianten sind noch nicht per Gentest vom einfachen gelben Phäomelanin zu unterscheiden. Eine Übersicht ist Tabelle 2 zu entnehmen:
Weiterhin als disqualifizierende Farben aufgeführt werden im FCI-Standard die Farben Schwarz, Braun und Silber. Ein einfarbig schwarzes Fell kann entweder durch rezessives Schwarz (Genotyp a/a im Gen ASIP) oder durch dominantes Schwarz hervorgerufen werden (die ursächliche genetische Variante KB befindet sich am so genannten K-Lokus). Da dominantes Schwarz von einem dominant gelben Hund nicht verdeckt getragen werden kann, ist die Variante KB beim Leonberger nicht mehr existent. Ob die Variante a (rezessives Schwarz) im Genpool des Leonbergers vorkommt, ist nicht bekannt.
Die Farbe Braun (die immer mit braunen Fußballen und einem braunen Nasenspiegel sowie braunen Lefzen und braunen Augenlidern zusammen auftritt) geht auf die genetische Variante b am B-Lokus zurück. Ist ein Hund reinerbig für diese Variante, so kann er anstelle schwarzen Eumelanins nur braunes Eumelanin bilden. Bei einem Leonberger wäre dies also ein gelber Hund mit brauner Nase, brauner Maske, braunen Lidern, Lefzen und Fußballen. Für die ursächlichen genetischen Braun-Varianten existiert ein Gentest.
Die im Rassestandard als „Silber“ aufgeführte Farbe könnte auf die so genannte „Dilution“ (auch als Blauverdünnung bezeichnet) zurückgehen. Diese wird durch die genetische Variante d am D-Lokus verursacht und führt dazu, dass durch eine veränderte Struktur der Eumelanin-Pigmente ein blaugrauer bis silbergrauer Farbeindruck des ursprünglich schwarzen Pigmentes entsteht. Bei betroffenen Hunden wird jegliches schwarzes Pigment zu blaugrau aufgehellt. Auch für diese genetische Variante existiert ein Gentest.
Eine Plattenscheckung schließlich führt dazu, dass in mehr oder weniger ausgedehnten Körperarealen keine Pigmentzellen gebildet werden. In diesen Arealen bleiben Haut und Haare somit farblos, was zu einem weißen Farbeindruck führt. In den Bereichen, in denen der Hund Pigmentzellen bildet, werden Haut und Haare in der genetisch programmierten Grundfarbe gebildet. Eine solche Plattenscheckung ist gemäß Rassestandard beim Leonberger ein Disqualifikationsgrund. Auf die ursächliche genetische Variante S am S-Lokus kann man ebenfalls testen.
Die sehr heterogene Abstammung des Leonbergers führte dazu, dass in seinem Genpool ursprünglich eine recht große Vielfalt an unterschiedlichen genetischen Farb-Varianten vorhanden ist. Vom Bernhardiner stammt einerseits die dominant gelbe Grundfarbe mit markanter Schwarzmaske und rotem Phäomelanin, andererseits aber auch das Erbe für die Plattenscheckung. Vom Pyrenäenberghund kommt ebenfalls die Anlage für Plattenscheckung, daneben auch die Varianten für sehr helles Phäomelanin, möglicherweise auch für Black and Tan sowie für die Wildfarbe. Der Neufundländer hat höchstwahrscheinlich die genetischen Varianten vor braunes und dilute („silber“) Eumelanin mit in den Leonberger-Genpool eingebracht, außerdem möglicherweise eine in der Rasse verdeckt vorhandene Anlage für Black and Tan. Da diese Anlagen sich auf unterschiedlichen Genen befinden, sind sie jeweils frei miteinander kombinierbar. So war es möglich, eine dominant gelbe Grundfarbe mit schwarzer Maske, aber ohne Plattenscheckung, mit einer breiten Palette an unterschiedlichen Gelbtönen beim Leonberger zu züchten. Viele der von den Ausgangsrassen ererbten Anlagen, die aufgrund des ursprünglichen Zuchtziels eins löwenartigen Aussehens als unerwünscht ausgeschlossen wurden, befinden sich aber auch heute noch im Genpool des Leonbergers und können – je nach Kombination – zu unterschiedlichen, vom Standard abweichenden Fellfarben führen.
Durch die strikte Selektion auf dominantes Gelb wurden zunehmend gegen diese Farbenvielfalt selektiert. Man könnte dies gewissermaßen als genetischen Flaschenhals bezeichnen, denn durch das Aussortieren aller Hunde, die eine nicht erwünschte Farbe zeigten, wurde der Genpool eingegrenzt. Zwei Weltkriege, in denen die Haltung und Zucht großer Hunde schwierig war, führten zu zwei weiteren züchterischen Engpässen in der Historie der Rasse.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet, sollte in der heutigen Leonbergerzucht das Augenmerk darauf gerichtet werden, den Genpool so breit wie möglich zu halten. Eine Selektion auf bzw. gegen bestimmte Fellfarben steht diesem Ziel entgegen. Daher empfiehlt es sich aus populationsgenetischer Sicht, der Fellfarbe keine übermäßige Bedeutung beizumessen. Alle Fellfarben, die nicht mit gesundheitlichen Nachteilen verbunden sind, sollten nicht als Disqualifikationsgrund eingestuft werden.
Ebensowenig sollten innerhalb der erwünschten Farben bestimmte Varianten bevorzugt werden. Dies betrifft insbesondere die Ausprägung dunkler Haarspitzen im Vergleich zu Hunden ohne dunkle Haarspitzen, sowie die Farbintensität des gelben Phäomelanins.
Von den oben dargestellten Fellfarben kann lediglich die Dilution zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen, wenn sie mit der so genannten Farbmutantenalopezie vergesellschaftet ist. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, nicht auf Dilution zu selektieren.
[1] Dog color patterns explained by modular promoters of ancient canid origin
Danika L. Bannasch, Christopher B. Kaelin, Anna Letko, Robert Loechel, Petra Hug, Vidhya Jagannathan, Jan Henkel, Petra Roosje, Marjo K. Hytönen, Hannes Lohi, Meharji Arumilli, DoGA consortium, Katie M. Minor, James R. Mickelson, Cord Drögemüller, Gregory S. Barsh, Tosso Leeb
bioRxiv 2020.12.21.423812; doi: https://doi.org/10.1101/2020.12.21.423812
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